Presse
27.05.2010, Wiesbadener Tagblatt, von Richard Hörnicke
Packende Kontur der Interpretation
MAIFESTSPIELE II Monteverdi auf der Bühne
Claudio Monteverdis Oper "L’ incoronazione di Poppea" gilt mit Recht als erstes Charakterdrama des Musiktheaters. In Giovanni Francesco Busenello hatte der Komponist den ebenbürtigen Librettisten gefunden, der ihm mit dem Textbuch eine "geschlossene, dramatische Handlung mit lebenswahren, kontrastierenden Charakteren" lieferte, die nach musikalischem Ausdruck geradezu verlangte. Aus den zwei überlieferten, oft bearbeiteten und ergänzten venezianischen und neapolitanischen Fassungen ist es Thomas de Vries gelungen, eine "lebendige und sinnliche" konzertante Aufführung des Dreiakters mit seinem "Ensemble Mattiacis" innerhalb der Maifestspiele zu realisieren.
Kein einfaches Unterfangen, verlangt doch schon allein der ständige Wechsel zwischen rezitativischer und arioser Kompositionsart eine besondere sängerische Einstellung, die von den Protagonisten exzellent beherrscht wurde. Dass diese Aufführung zu einem allgemein bejubeltem Erfolg wurde, ist vor allem der Sicherheit des gemeinsamen Musizierens zu verdanken - Thomas de Vries hatte in seiner Funktion als Gesamtleiter an der Orgel Platz genommen, man verzichtete auf den Dirigenten, umso erstaunlicher die Ausgewogenheit und packende Kontur der Interpretation. Insgesamt von profilierter Statur die stattliche Sängerriege, an erster Stelle die Darstellerin der Titelpartie - die auf dem Weg zum jugendlich dramatischen Fach befindliche Betsy Horne mit einem Sopran üppig strömenden Wohllauts, dann der mit lyrischem Tenor aufwartende Nerone Johann Gudmundsson, Tom Mehnert mit kernig "schwarzem" Bass als Seneca, die Alti Steve Wächter (Ottone) und Gert Homann (Arnalta), Simone Schwark als Drusilla. Judd Perry (Valletto) und Aurora Perry (Damigella) belebten die Szene als Buffopaar, die Rolle des Amore hatte man mit Maurice Efendi einem sicher singenden Knabensopran anvertraut.
Das auf Barockinstrumenten spielende Orchester erfüllte seine höchst anspruchsvolle Aufgabe mit Bravour, besondere Erwähnung verdienen die wendig und mitreißend aufspielenden Instrumentalisten des basso continuo. Unter der Leitung Christian Pfeifers sang das collegium vocale neben der chorischen Begleitung der "Poppea" vor dem ersten und zweiten Teil des Abends zwei Madrigale Monteverdis. Kompliment - mit dieser passioniert aufbereiteten "Krönungsoper" kann sich das Ensemble Mattiacis sehen lassen.